Die Milz, das vergessene Organ

Meist wird man sich dieses Organes erst bewusst, wenn es nach einem Unfall entfernt werden muss. Doch dann merkt man bald, welch wichtige Funktion die Milz für das Immunsystem hat. In der Schulmedizin spielt die Milz auch eher eine stiefmütterliche Rolle, obwohl man ihre wichtigen Funktionen genau kennt. Es kann also nicht schaden, wenn man Überlegungen anstellt, in welcher Form man die Milz stärken kann.

 

Die Anatomie der Milz

Die Milz (lat. lien, griech. splen), die ungefähr so groß wie eine Niere ist, liegt im linken Oberbauch zwischen Zwerchfell, Magen und der linken Niere. Außerdem berührt sie die Spitze der Bauchspeicheldrüse. Da die Milz so nah am Zwerchfell ist, bewegt sie sich beim Atmen, ist aber bei normaler Größe von den Rippen bedeckt und von außen nicht tastbar. Sie ist von einer bindegewebigen Kapsel umgeben, die das Organ schützt. Die Milz vereint in Bau und Struktur zwei Organe. Die weiße Pulpa (lat. pulpa, breiige Masse) als Innenorgan übernimmt als lymphatisches Organ immunologische Aufgaben, die rote Pulpa entfernt schädliche Partikel aus dem Blut.

 

Die Aufgaben der Milz

Man kann sich die Milz wie einen Schwamm vorstellen, in den das Blut hineingepresst wird. Die jungen roten Blutkörperchen können durch die Maschen des Schwammes hindurchschlüpfen, die überalterten (meist ungefähr 120 Tage alt) bleiben darin hängen und werden abgebaut. Dieser Vorgang ist wichtig, damit der Organismus die „Blutqualität“ erhalten kann.

Die Abwehrfunktion der Milz lässt sich mit einem Parkplatz für weiße Blutkörperchen beschreiben. Die Leukozyten schwimmen nicht ununterbrochen im Blut, sondern sammeln sich an verschiedenen Stationen im Körper und vor allem auch in der Milz. Die weißen Blutkörperchen, die in der Milz für die Abwehr die größte Rolle spielen, sind die Lymphozyten. Sie warten in der Milz, um auf vorbei gespülte Krankheitserreger reagieren zu können oder wieder ihre Aufgabe im Blutkreislauf zu übernehmen. Bei einer Blutvergiftung hat die Milz daher eine besondere Funktion. Wenn der Körper gegen „Eindringlinge“ kämpft, zum Beispiel gegen Viren, Bakterien oder Parasiten, vermehrt sich das Abwehrgewebe der Milz. Auch wenn die Abwehr sich gegen körpereigene Strukturen wendet, wie dies bei Autoimmunerkrankungen, beispielsweise Polyarthritis, stattfindet, kann die Milz vergrößert sein. Über den Pfortaderkreislauf ist die Milz auch mit der Leber verbunden, weshalb Stauungen in der Milz bei Leberzirrhose auftreten können . Vielleicht stammt daher der alte volkstümliche Spruch: “Wenn die Leber kaputt ist, trinkt man mit der Milz weiter“. Kinder bis zum sechsten Lebensjahr sind auf die Funktion der Milz angewiesen, da sie bei ihnen an der Bildung der roten Blutkörperchen beteiligt ist. Bei Erkrankung des blutbildenden Knochenmarks kann die Milz im Alter wieder zu einem blutbildenden Organ werden.

Damit sind nur die wichtigsten Funktionen der Milz angesprochen, es wird klar, wie wichtig dieses Organ ist, auch wenn man überlebt, wenn sie entfernt werden muss.

 

Die Milz aus Sicht der Naturheilkunde

Im Unterschied zur Schulmedizin sieht die Naturheilkunde, die in der Humoralpathologie (humores, lat. Säfte), also der „Säftelehre“ wurzelt, eine Beteiligung der Milz bei vielen Krankheiten und damit eine Notwendigkeit, als Heilungsreiz gezielte Milz- Therapie durchzuführen. Die „Säfte“ (Blut, Schleim, Gelbgalle, Schwarzgalle) darf man nicht als Flüssigkeiten, sondern als Symbolbegriffe für Wirkprinzipien sehen, ähnlich wie es auch die TCM sieht. Das Organ, das für das Funktionsprinzip Schwarzgalle verantwortlich ist, ist die Milz. Melanchera nannte man diesen „Saft“ auch, und wenn dieser nicht ausgeschieden wird, können Erkrankungen wie Depression, aber auch Arthrosen, Fibrosen, Zirrhosen entstehen. Doch die Naturheilkunde kennt einige Heilpflanzen, mit denen man auf der Basis dieser Überlegungen die Milz stärken kann. Ausgehend davon, dass man ähnlich wie in der TCM einen Funktionskreis von der Milz und der Bauchspeicheldrüse, ebenfalls ein „Stiefkind“ der Medizin sieht, empfehlen sich Heilpflanzen, die auch als Leberheilpflanzen oder als Entgiftungsmittel genutzt werden können.

Brennnessel: Auch wenn die Brennnessel laut Plinius als die „am meisten verhasste aller Pflanzen“ bezeichnet wurde, zählte sie immer schon zu den besten „Blutreinigungsmitteln“ aller Heilpflanzen. Eine ca. dreiwöchige Kur mit dem Tee aus der Brennnessel aktiviert nicht nur den Stoffwechsel, hilft die Harnsäure zu mobilisieren, sondern unterstützt auch die Milzfunktion. Ein bis zweimal täglich eine Tasse Tee (im Aufguss, 10 Minuten ziehen lassen) trinken.

Gundelrebe: Als Heilpflanze vergessen und in der Apotheke kaum erhältlich, kann man die Gundelrebe in der Wiese finden, sobald der Schnee verschwunden ist. Die Gundelrebe wurde früher als Heilpflanze betrachtet, die hilft, Toxine und Ablagerungen im Körper auszuscheiden. Auch zur Immunstärkung kann man die Gundelrebe nutzen. Naturheilkundliche Erfahrungen zeigen darüber hinaus, dass dieses Pflänzchen durch diese Wirkungen auch helfen kann, die Milz zu entlasten und somit zu stärken. Angenehm an dieser „Kur“ ist, dass man die Gundelrebe primär als würzende Zutat zu Frühlingssuppen nutzen sollte.

Odermennig: „Heilandskraut“ nennt man den Odermennig in machen Gegenden des Burgenlands. Früher wurde er hochgeschätzt: „Odermeng ist das fürnembst Kraut zu allen verstopften Leberen“, wusste Hieronymus Bock. Der Odermennig ist eine hervorragende Leberheilpflanze, auch wenn sich die Wissenschaft noch wenig mit ihm auseinender gesetzt hat. Als Milzheilpflanze kann der Tee (Aufguss, 10 Minuten ziehen lassen) ebenfalls eingesetzt werden.

Aus der „Hildegard- Medizin“ kann man den Hirschzungenfarn (Scolopendium) als Milzheilmittel übernehmen. Sie empfahl diese Heilpflanze, die man heute hauptsächlich über Apotheken und Drogerien bekommt, die sich auf die Heilmittel der kräuterkundigen Hildegard spezialisiert haben, gegen „chronischen Leberhusten“, womit sie den Zusammenhang zwischen der Leber, Bauchspeicheldrüse und Milz ganz wie in der TCM sah. Hirschzunge bekommt man als Tee (Aufguss, 10 Minuten ziehen lassen) oder als Hirschzungenelixier.

Paracelsus ordnete die Milz dem Saturn- Prinzip zu, wie es noch heute in der Anthroposophischen Medizin gesehen wird. Eine Heilpflanze, die aus dieser Sicht besonders als Milzheilmittel zu sehen, ist die Wegwarte. Verwendet werden sowohl die Wurzel als auch das blühende Kraut. In der Apotheke sollte man beides als Droge zur Teeherstellung (Aufguss, 10 Minuten) bekommen. An sich ist die Wegwarte eine Bitterstoffdroge und somit hilft sie, die Leber in ihrer Entgiftungsarbeit anzuregen. Gleichzeitig stärkt sie aber auch die Milz in ihren Funktionen. Besonders empfehlenswert wäre ein anthroposophisches Mittel, das entsteht, wenn die Wegwarte mit dem „Leberheilmetall“ Zinn kultiviert wird (Cichorium Stanno cultum) oder Cichorium Plumbo cultum mit Blei als Milzheilmittel.

Den nordamerikanischen Indianern verdanken wir eine Milzheilpflanze, die primär in der Homöopathie verwendet wird, die Säckelblume (Ceanothus americanus). Man bekommt sie als Urtinktur oder in homöopathischen Potenzen, z. B. als D6. Der amerikanische Arzt Burnett beschrieb ihre Wirkung: „Wenn Herzstörungen gleichzeitig mit einem Milzleiden bestehen, ist die Linderung, die durch die Gabe von Ceanothus zu erzielen ist, höchst bemerkenswert“. Die Säckelblume kann man als Drainagemittel für die Milz betrachten und schon vorbeugend anwenden. Als Heilmittel kann sie auch bei schon bestehenden Problemen wie Milzschwellungen und Milztumoren eingesetzt werden.

 

Wegwarte

Wegwarte

 

Die Milz in der TCM

In der Traditionellen Chinesischen Medizin spielt die Milz nicht als Organ eine Rolle, sondern als Funktionskreis, nämlich als Meridian Milz / Pankreas, der als Yin- Partner des Magenmeridians fungiert. Daraus ist ersichtlich, wie wichtig es ist, Organzusammenhänge zu betrachten. Die Milz sieht man in der TCM als das System, das die Energie, die über die Ernährung aufgenommen wird, umwandelt und an den Körper weiterleitet. „Die Milz regiert das Blut“, sagt die TCM und wenn das Milz- Qi ausreichend ist, lenkt sie die Bewegung des Blutes, indem sie es in den vorgesehenen Bahnen fließen lässt.

„Die Milz regiert die Muskeln“, in dieser Verteilerfunktion unterliegt der Milzenergie die Kontrolle über die Muskulatur des gesamten Körpers. Wenn wir aus Sicht der TCM den Milzmeridian stärken, hilft das auch, „knackig“ zu werden.

Der Zustand der Milzenergie zeigt sich übrigens in den Lippen. Wenn sie harmonisch ist, kann die Zunge die fünf Geschmäcker unterscheiden und die Lippen erscheinen rot und feucht.

Aus Sicht der TCM stärkt man die Milzenergie durch „süße“ Nahrungsmittel. Damit sind aber nicht Mehlspeisen gemeint, sondern Nahrungsmittel mit natürlicher Süße wie Getreideprodukte oder Gemüse wie Karotten, alle Nüsse und Obst wie Äpfel. Und wenn man unbedingt süßen will, sollte man zu Honig greifen.

Die chinesische Medizin sieht emotionale und auch klimatische Faktoren, die aufbauend oder störend auf die Energie in den Funktionskreisen wirken können. Die Milzenergie stärkt man durch logisches Denken, praktische Vernunft. Wissen und Erinnerungsvermögen werden dem Wirkbereich der Milz zugeordnet. Ständiges Grübeln dagegen schwächt die Milz ebenso wie ständiges Sich- Sorgen um dies und das. Dass intensives Lernen mit massivem Hineinschaufeln von Lernstoff belastend sein kann, weiß jeder. Um die Milzenergie nicht zu sehr zu schwächen, sollte man zwischendurch die Muskeln bewegen, was „milzhaftig“ Hilfe bringt.

Wichtig ist auch der Umgang mit dem klimatischen Faktor Feuchtigkeit. Wenn die Nässe Probleme schafft, hilft vielleicht der Milzlaut Hu: Die Hände auf den Oberbauch legen, die Fingerspitzen sollten über dem Magen liegen. Einatmen und leise gleichmäßig den Laut Hhuuu flüstern.

Die Milz wird der Wandlungsphase Erde zugeordnet. Nicht mehr Hochsommer und noch nicht Herbst, das sind Tage von solch besonderer Qualität, dass ihnen in der Traditionellen Chinesischen Medizin eine eigene Wandlungsphase, die Erde, zugesprochen wurde. Bei uns hat man dafür den wohl passenden Ausdruck „Altweibersommer“ geprägt, denn nur Frauen, die in ihrer Mitte angekommen sind, deren feurige Hitze sich zu innerer Wärme gewandelt hat, können weise Fürsorglichkeit, die Qualität des Erdelements entwickeln und weitergeben. Diese Zeit sollte man nützen, um der Milz durch zentrierende Übungen wie im Qigong energetische Kraft zukommen zu lassen.